Positionspapier des DTKV-Saar für die LMR-Arbeitsgruppe

„Musikalische Bildungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche“

0. Vorbemerkung

Mit den folgenden Ausführungen möchte der DTKV-Landesverband Saar seine Position in Bezug auf die musikalischen Bildungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen umschreiben.

In den letzten Monaten erhielt der Vorstand Rückmeldungen und Problemschilderungen von Mitgliedern, die vielleicht die Spitze eines Eisbergs sind, und auf die wir gemeinsam mit den anderen Verbänden des Landesmusikrats reagieren wollen, bevor das Problem größere Dimensionen erreicht.

Die musikalischen Betätigungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen scheinen uns in mehrere große Bereiche zu zerfallen:

- Die Beschäftigung mit Musik im Rahmen des schulischen Unterrichts

- Die Wahrnehmung eines Angebots im Rahmen der (freiwilligen) Ganztagsschule

- Die Wahrnehmung eines Angebots außerhalb der Schule, sei es Musikschule, Privatunterricht oder Verein

- Die autonome Ausübung von Musik als Ausdruck von Lebensgefühl und kultureller Teilhabe

Der DTKV-Saar sieht vor allem den zweiten und dritten Punkt als seine Arbeitsaufgabe an.

1. Problemanzeigen

Vermehrt erreichen den Landesvorstand des DTKV-Saar Problemanzeigen bei der Gestaltung des instrumentalen und vokalen Musikunterrichts:

- durch den zunehmenden Nachmittagsunterricht wird es vor allem für Schüler der höheren Jahrgangsstufen immer schwieriger, einen Unterrichtstermin zu finden.

- dadurch und durch die erhöhte schulische Belastung, z.B. durch das achtjährige Gymnasium, haben die Jugendlichen zu wenig Zeit zum Üben. Das führt zu Frustration, ausbleibenden Fortschritten und Erfolgen bis hin zum Abbruch des Unterrichts. Damit sind die Erwerbsmöglichkeiten unserer Mitglieder direkt berührt.

- im Rahmen der Kooperationen mit Schulen wird über Modus und Höhe der Bezahlung geklagt. Die hier Tätigen erbringen quasi erhebliche „Vorleistungen“ ohne direkt damit Einkommen zu erzielen, was die Motivation stark belastet.

- die Qualität und das Gelingen der Kooperationsangebote ist sehr unterschiedlich, ohne dass eine Evaluation stattfindet. Dabei werden manche Angebote, da sie sich ja als „Schule“ präsentieren, von Seiten der Eltern in ihrer inhaltlichen Fundiertheit überbewertet.

2.1 Musik im Rahmen von Betreuungsangeboten der Schulen

Für alle Angebote die im Rahmen der schulischen Betreuung gemacht werden, ist Qualität das oberste Gebot. Im folgenden versucht der DTKV aufzustellen, welche Kriterien er zur Beurteilung von Qualität verwirklicht sehen möchte.

2.1.1 Die Qualität steht und fällt mit den Qualifizierung der Dozenten. Bevor eine Schule ein Angebot macht, sollte sich der verantwortliche Schulleiter von einer ausreichenden Qualifizierung für und evtl. Erfahrung des Dozenten im konkreten Bereich des Angebots überzeugen. Dabei ist zu beachten, dass gut ausgebildete und engagierte Dozenten einen Anspruch auf angemessene, regelmäßige und zeitnahe Bezahlung haben.

2.1.2 Die Dozenten sollten die Bereitschaft mitbringen, sich im Schulalltag bei Festen, Projekten etc. einzubringen, d.h. es sollte eine Integration in den Schulalltag stattfinden.

2.1.3 Das Angebot sollte evaluiert werden und nicht jahrelang „vor sich hin laufen“. Mögliche Ansatzpunkte zur Beurteilung könnten sein:

- die Bereitschaft, sich in die Gestaltung des Schullebens einzubringen; quasi die Ergebnisse des Angebots öffentlich zu machen

- freiwillige Leistungsabzeichen als Motivation für die SchülerInnen

- eine Statistik, über die Übertritte in die Ensembles der Laienmusikbewegung

- eine Zertifizierung durch das Kultusministerium, um zu verhindern, dass „schwarze Schafe“ an wechselnden Schulen immer wieder die gleichen, schlechten Angebote machen.

2.1.4 Erst die Nachhaltigkeit und Kontinuität macht aus einem Betreuungsangebot ein Bildungsangebot. Den SchülerInnen müssen Perspektiven für eine mittel- und langfristige Entwicklung geboten werden.

2.1.5 Es sollte Ziel sein, für die musikalischen Angebote der Schule eine instrumentale und stilistische Vielfalt zu entwickeln. Klassische Musizierweisen sollten kein Randdasein fristen.

2.1.6 Ausdrücklich möchte sich der DTKV von denjenigen kommerziellen Anbietern distanzieren, deren Dozenten weder die fachlichen noch pädagogischen Voraussetzungen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mitbringen. Der DTKV sieht auch die Projekte, die im Rahmen der Kooperation Schule-Kulturverein laufen mit großer Skepsis. Es darf nicht dazu kommen, dass auf diese Weise „Musikerziehung light“ nach dem Motto „Masse statt Klassse“ billig eingekauft und angeboten wird.

2.2 Angebote außerhalb der Schule

Im folgenden soll eine Aufschlüsselung hinsichtlich der Zielgruppen ansatzweise versucht werden, um auf die Bedeutung der außerschulischen Angebote einzugehen.

Die musikalischen Angebote, gerade im Grundschulbereich, werden Kinder aller Gesellschafts- und Einkommensschichten ansprechen. Das ist im Sinne der Chancengleichheit geradezu eine Bedingung für diese Angebote.

- Unter diesen Kindern wird ein Teil sein, der zwar das Angebot zunächst wahrnimmt, die Beschäftigung mit der Musik aber – aus welchen Gründen auch immer – nach einer gewissen Zeit nicht fortsetzt.

- Des weiteren wird es einen Teil von Kindern geben, die solche musikalischen Betreuungs- und Bildungsangebote quasi begleitend für die Dauer der Schulzeit nutzen wird.

- Ein weiterer Teil wird, und das ist im Sinne der Entwicklung der Breitenkultur wünschens-wert, den Weg in ein Ensemble der Laienmusikbewegung finden.

- Und es wird einen Teil von Kindern geben, bei denen sich früh eine ausgesprochene musikalische Begabung herausstellt, die dann durch entsprechende Förderung zu einer Leistungsspitze führen. Hier hätten wir es dann mit künftigen MusikstudentInnen zu tun, die als Profis der nächsten Generation für die Aufrechterhaltung unserer reichhaltigen Musikkultur verantwortlich sind.

- Wir machen uns jedoch Sorgen um die Ausbildungsmöglichkeiten derjenigen Jugendlichen, bei denen zwar eine musikalische Begabung und eine Neigung zu einem Musikberuf vorhanden sind, die jedoch auf Grund der Belastungen durch die Schule nicht in der Lage sind, die Instrumentale bzw. vokale „Mittelstufe“ in ausreichender Tiefe zu bewältigen. In der Konsequenz bedeutet das für die Musikhochschulen, dass – neben den erwähnten „Überfliegern“ – junge Leute eine Ausbildung beginnen, denen gefestigte technische Grundlagen fehlen, was zu einer „Austrocknung“ der Hochschulen führen könnte. Dies wäre um so beklagenswerter weil, im Vergleich zu vor zwanzig Jahren, durchaus eine ausreichende Anzahl gut ausgebildeter Instrumental- und Vokalpädagogen vorhanden ist. Sollte diese Entwicklung eintreffen, sind nachhaltige Schäden für die Musikkultur unseres Landes zu befürchten.

Wir fordern daher einen Bestandsschutz für Musikschulen, die eben nicht nur in ihrer Rolle als „Betreuungsanbieter“ aufgehen dürfen. Wir fordern, dass auch außerhalb der Schule für die Jugendlichen zeitliche Ressourcen da sein müssen für Einzelunterricht, auch und gerade bei den Privatmusikerziehern. Die Profis von morgen müssen vertiefende Angebote mit allen Konsequenzen wahrnehmen können

3. Adressaten

3.1 Politik

Die politisch Verantwortlichen müssen sich bei Ihren Entscheidungen zur Gestaltung und Finanzierung von Betreuungsangeboten in den Schule bewusst machen, dass diese Entscheidungen unmittelbar auf die Qualität der Angebote und damit auf den Erfolg der Maßnahmen Einfluss haben. Dabei sind zwei wesentliche Punkte zu beachten:

1. Wenn die Angebote im musikalischen Bereich Qualität im Sinn der oben beschriebenen Kriterien haben sollen, muss die Politik bereit sein, Geld für Personalkosten auszugeben.

2. Die Freiheit der Schulleiter, das Betreuungsangebot selbst zu gestalten, bedeutet unserer Ansicht nach nicht, dass das Kultusministerium nicht auch eine Verantwortung für die Qualität der Angebote hat.

3.2 Schulleiter

Der Landesmusikrat sollte den Schulleitern ein Beratungsangebot machen, mit dessen Hilfe Schulleiter aus der Vielfalt an Angeboten und Anbietern diejenigen herausfiltern können, die den oben aufgestellten Kriterien entsprechen.

3.3 Hochschulen

Die Hochschulen müssen rasch auf diese Entwicklungen reagieren und in ihrer pädagogischen Ausbildung verstärkt alle Unterrichtsformen (Einzel- und Gruppenunterricht, Klassenmusizieren und Ensembleleitung) thematisieren, und so die Absolventen auf die realen Gegebenheiten des Berufsalltags vorbereiten.

3.4 Landeselternvertretung

Nach Abschluß der Arbeitsgruppe sollte Kontakt zur Landeselternvertretung aufgenommen werden, um über Wege nachzudenken, auf Seiten der Eltern eine Wahrnehmungsschärfung für die Qualität der Angebote zu erreichen.

Reinhard Ardelt

Frank Brückner