Vortrag von Adelheid Krause-Pichler

zum 40jährigen Bestehen des Landesverbands Saar des deutschen Tonkünstlerverbandes im Oktober 2007


Sehr geehrter Herr Ardelt, sehr geehrter Herr Prof. Duis, verehrte Festgäste,

ich freue mich, Ihnen zu Ihrem Jubiläum die Grüße des Präsidiums des Deutschen Tonkünstlerverbandes überbringen zu dürfen, bedeutet doch dieses 40ste Jahresfest eines relativ jungen Landesverbandes die wichtige Rückversicherung unserer Arbeit in einem Berufsverband, der seit mehr als 160 Jahren aktiv ist.

Die Notwendigkeit eines organisierten Zusammenschlusses der Musikpädagogen äußerte sich just zu einem Zeitpunkt, an dem sich wesentliche politische, gesellschaftliche und künstlerische Einschnitte ereigneten. 1844 war nicht nur das Jahr der ersten Weber-Aufstände in Schlesien, des Erscheinens von Karl Marx "Pariser Manuskripten" sowie Schopenhauers "Welt als Wille und Vorstellung" und Kierkegaards "Begriff der Angst", mit anderen Worten das Ende großbürgerlicher Vorherrschaft; gleichzeitig boomte die bürgerliche Musikkultur auf Hochtouren: Franz Liszt, Sigismund Thalberg und Clara Schumann sorgten für aufsehenerregende Auftritte virtuoser Klaviertechnik, denen Scharen von Eleven nachzueifern versuchten. Kein Wunder, dass der "Chiroplast", ein vom Londoner Klavierpädago-gen J.B.Logier entwickeltes Gerät zur Erziehung besserer Handhaltung und schnel-lerer Fingertechnik reißenden Absatz fand - Robert Schumann ist nur das berühmteste Beispiel eines Musikerinvaliden durch falsches Üben mit dem angepriesenen Apparat. In dieser Zeit des musikalischen Tempos und übermäßiger Virtuosität durfte auch die Erfindung des Metronoms und der Erard´schen Repe-titionsmechanik nicht ausbleiben. Als Paganini mit seiner unglaublichen Violintechnik selbst Liszt zu Selbstzweifeln an seiner Virtuosität veranlaßte, war wohl der Höhe-punkt der Technikgläubigkeit vollends erreicht.

Es läßt sich unschwer erraten, welchen Bedarf an Musiklehrern diese Vorbilder, die ganze Scharen von Lernbegierigen animierten, produzierte und welcher Mißbrauch mit unwissenden Musikschülern um sich griff. Berlin war die erste Stadt, in der die Organisation eines Berufsverbandes zum Schutze der ausgebildeten und fundierten Musiklehrer tatsächlich in die Tat umgesetzt wurde. Seit 1844 hat sich vieles verändert, wenn auch das romantische Bild des schmächtigen, hungernden Klavierlehrers und Komponisten noch nicht restlos aus unseren Köpfen weichen will.

Der Tonkünstlerverband hat in mehr als 150 Jahren Arbeit seine Ziele präzisiert und erweitert, das Diktum seine Gründer jedoch nie aus dem Blickfeld verloren. Die musikalische Grundbildung des Laien durch qualifizierte Fachkräfte ist das päda-gogische Hauptanliegen, hierzu gehört neben der Pflege der alten und klassischen Musik die Aufführung zeitgenössischer Werke und die Unterstützung der Komponisten.

Blickt man zurück auf die Persönlichkeiten des deutschen Kulturlebens, die den Tonkünstlerverband gefördert und geprägt haben, so fällt auf, dass es sich in erster Linie um namhafte Interpreten, Hochschullehrer und Wissenschaftler handelte. Sie alle sahen vorwiegend in diesem Berufsverband die greifbare Möglichkeit am musikalischen Volksbildungsprozeß teilzunehmen und mitwirken zu können. Diese Mitwirkung bezog sich nicht nur auf die Ausbildungskonzepte an Musik- und Hochschulen, sondern vor allem auf die Möglichkeit, Musiker und Komponisten zu fördern, indem man ihnen nicht allein Auftritts- und Aufführungsgelegenheiten verschaffte, sondern auch das gebildete und interessierte Publikum dazu vermittelte.

Das Interesse des begabten und gebildeten Laien zu fördern, neben der Heraus-bildung der jungen Berufsmusiker, avanciert auch heute wieder, angesichts sich leerender Konzertsäle, zum Hauptanliegen der Musikpädagogen. Die Diskussion um Schließung von Musikschulen, Wegrationalisierung von Orchestern und Opern-häusern wird in dem Moment überflüssig, wo diese Institutionen vom Publikum gefordert und entsprechend frequentiert werden.

Der Tonkünstlerverband ist unumstritten eines der wichtigsten Organe zur Förderung der Musikkultur, ohne ihn hätten wir weniger Wettbewerbe, nur einen Teil der Musikzeitschriften und vor allem keine Qualitätsgarantie.

Heute umfaßt der DTKV neben freiberuflichen Musikern auch Lehrkräfte an Musikschulen, Musikhochschulen, allgeneinbildenden Schulen und Universitäten auch Orchestermusiker und Chorsänger, Konzertsolisten, Komponosten, Kirchenmusiker, Musikwissenschaftler und Musikjournalisten, Musiktherapeuten, Musikalienhändler- und verlage.

Die Leistungen haben sich enorm erweitert: neben einem dichten Informationsnetz über Berufs- und Sozialfragen nimmt die Rechtsberatung durch qualifizierte Anwälte und die Beratung in Steuerfragen einen großen Raum ein. Das Manuskripte-Archiv, das inzwischen in München und Siegburg existiert, beherbergt über 1200 Kompositionen von Mitgliedern. Versicherungsbeiträge werden in günstigen Gruppentarifen ausgehandelt, ebenso die GEMA-Gebühren für Konzerte die der Verband veranstaltet. Urheberrechtlich geschützte Unterrichtsverträge für freie Musiklehrer tragen zur finanziellen Sicherheit unserer Musiker bei.

Ich darf Ihnen in Saarbrücken gratulieren, diesen wichtigen Berufsverband über die letzten Jahre so glücklich aufgebaut zu haben. Sie leisten damit nicht nur einen bemerkenswerten Beitrag für die Musik dieses Landes, sondern vor allem für die ästhetische Bildung in unserer Gesellschaft, von der Prof. Ulrich Mahlert schreibt:

"Ästhetische Bildung wird heute zu einer Überlebensnotwendigkeit, um das eigene Beeinflußt- und Manipuliertwerden zumindest ein Stück weit durchschauen zu können. Mündigkeit beruht auf ästhetischer Bildung."